Dante’s Inferno

Mein letzter blogpost ist vom 3. Januar. Das ist lange her. Und seitdem ist einiges passiert. Oder auch nicht, je nachdem wie man es sieht.

Sportlich lief es dieses Jahr nicht besonders rund. Der Winter war wettertechnisch ideal fürs Lauftraining, tatsächlich bin ich aber so wenig wie selten zuvor gelaufen. Logische Konsequenz war dann natürlich das DNF beim Trail by the Sea. Den Team Trail danach bin ich zwar bis zum bitteren Ende gelaufen, aber auch mit der Erkenntnis, das Traillaufen nicht meine neue Leidenschaft wird.

Richtig schön war natürlich wieder unser Trainingslager auf Mallorca. Die Insel ist einfach klasse und bei bestem Wetter haben wir jede Menge Kilometer auf dem Rad gesammelt, sind 365 Stufen hochgelaufen (manche sogar drei Mal) und waren u.a. im Best Swim Center schwimmen. Zwei rundum gelungene Wochen.

Die Triathlonsasion begann erst spät mit der Volksdistanz in Retie. Ein schöner Wettkampf und ein schöner Auftakt, obwohl ich nächstes Jahr wahrscheinlich wieder wie gewohnt mit Geel beginnen werde.

Drei Tage später mit vielen PSV’lern beim Bonner Nachtlauf galt es nochmal 10 km „schnell“ zu laufen. Und ich war sogar sehr zufrieden. Dank Beate, die mich die letzten 2 Kilometer noch gezogen hat, gelang mir ein 47er Zeit. Hatte ich eigentlich nicht erwartet, da mir jede Menge Laufkilometer fehlten. Aber gut. Hat Spaß gemacht.

Und beim Einzelzeitfahren der Polizei-Landesmeisterschaften eine Woche später konnte ich mangels Konkurrenz sogar die Gästeklasse gewinnen ; -)

Und da das Radfahren so gut lief, habe ich dann zusammen mit Joachim am 18. Juli meinen persönlichen Tages-Kilometer-Rekord geknackt. Von Bonn nach Middelburg = 357 km. Dann einen Tag Pause und wieder retour nach Bonn, diesmal aber mit einer Zwischenübernachtung. Die Tour war echt der Hammer. Ich denke aber, dass dieser Rekord lange Bestand haben wird ; -)

Und dann sind wir auch schon bei Dante. Vom Inferno durch das Fegefeuer ins Paradies. Ich habe selten einen Wettkampf erlebt, der seinen Namen so verdient hat wie dieser. Letztes Jahr hatte ich noch geplant, den Inferno Triathlon als Einzelstarter zu probieren. Dem Himmel sei Dank, dass mich weise Voraussicht, gute Erkenntnis und ehrliche Ratschläge von diesem Unterfangen abgehalten haben. Also habe ich zusammen mit Jörg eine 2er Staffel gemeldet. Während Jörg schwimmen und MTB fahren sollte, waren mein Aufgaben 97 km Rennrad und 17 km Berglauf. Die Staffeln enden in Mürren und nur die Einzelstarter laufen hoch bis auf das Schilthorn. Gesagt, getan. Zusammen mit vielen anderen PSV’lern ging es in die Schweiz zum, wie ich jetzt weiß, wohl einem der härtesten Triathlons des Universums ; -)

Leider musste wegen der niedrigen Temperaturen das Schwimmen durch einen 3 Kilomter Lauf ersetzt werden, was für Jörg natürlich ziemlich blöde war. Allerdings war es mit 15 Grad Wassertemperatur und 10 Grad Außentemperatur morgens auch einfach viel zu kalt zum Schwimmen.

Dann also Laufen und Jörg lief. Ruckzuck war er wieder in der Wechselzone und ich ging, warm angezogen, auf die Radstrecke. Es ging sofort hoch. Und zwar richtig hoch. Alle hatten mich vor der großen Scheidegg gewarnt, aber keiner vor dem Beatenberg ; -) Der Weg in’s Paradies führte aber genau dort her, also musste ich weiter. Das Fegefeuer wurde schon mal angezündet, aber, wie ich 50 km später feststellen sollte, brannte es noch auf kleiner Flamme. Nach dem Beatenberg ging es flach am Brienzer See entlang und die „Vorfreude“ auf den Anstieg zur großen Scheidegg stieg mit jedem Kilometer. Und dann war es soweit. Bei km 66 ging es leicht bergauf. Dann einmal rechts abbiegen und das Feuer wurde stärker. Der Aufstieg begann. Ich hatte mir vorgenommen mein größtes Ritzel für die von Christian angekündigte Rampe 5 km vor der Passhöhe aufzusparen. Dummerweise hatte ich diesen Vorsatz aber bereits am Beatenberg über den Haufen geworfen. Und auch hier ging es relativ schnell auf das (noch vieeeel zu kleine) große Ritzel. Unterwegs überall das Gleiche. Wir waren, frei nach Dante Alighieri, eine große Truppe von Sündern, von Buße und Hoffnung geprägt.

Im Fegefeuer können die Hochmütigen unter der Last von Steinen den Blick nicht mehr vom Boden lösen, den Neidischen wurden die Augen mit Draht zugenäht, die Trägen müssen um den Berg hetzen, die Habsüchtigen liegen mit dem Gesicht im Staub des Weges

Ich konnte den Blick nicht mehr vom Boden lösen, meine Augen waren (durch den Nebel) wie zugenäht und ich hetzte den Berg hoch. Glücklicherweise lag zumindest niemand mit dem Gesicht im Staub des Weges. Aber gefehlt hat nicht viel. Als die besagte Rampe endlich kam, traute ich meinen Augen nicht. Ich bekam die Kurbel nur noch mit letzter Kraft gedreht, wollte aber auf keinen Fall absteigen. Andere dachten anders und schoben ihr Rad. Ich weiß nicht was anstrengender war. Ich trat „einfach“ immer weiter und weiter, riss an meinem Lenker rum und quälte mich Meter für Meter nach oben. Und nach der Rampe ging es, wie von Christian versprochen noch 4 oder 5 Kilometer weiter steil bergauf. Unglaublich. Irgendwann hörte ich dann im Nebel über mir jemanden jubeln. Was das die Passhöhe? Nein, aber es war ein Schild, das den letzten Kilometer ankündigte. Das war das schönste Schild, das ich je gesehen habe. Ich liebe dieses Schild, ich hätte es umarmen können, aber ich durfte ja nicht absteigen.

Dann: ENDLICH OBEN. Aussicht: NULL Temperatur: 6 GRAD. Zustand: KAPUTT ABER HAPPY Fröstelfaktor: SEHR HOCH

Schnell die Regenjacke für die Abfahrt angezogen und runter nach Grindelwald. Ich wusste nicht, dass Eva nur Sekunden hinter mir war. Wir sind wahrscheinlich die ganze Zeit kurz hintereinander gewesen und haben uns aber durch den Nebel nie gesehen. Als ich in der Wechselzone ankomme, erwartet mich Jörg schon. Er zieht mir den Chip aus und macht sich in aller Seelenruhe auf seine MTB-Strecke. Weiß er doch, dass er das richtig drauf hat. Eva kommt tatsächlich nur 2 oder 3 Sekunden nach mir an und übergibt an Johanna, die noch vor Jörg auf die MTB-Strecke geht. Beate, Bernadette und Eric begrüßen uns und feuern Jörg und Johanna an.
Während Jörg also mit dem MTB hoch zur kleinen Scheidegg fährt, die übrigens noch höher als die große Scheidegg ist, mache ich mich auf den Weg zur Wechselzone nach Stechelberg. Dort wird Jörg nach 30 km MTB irgendwann eintreffen und dann muss ich wieder ran.

Die Laufstrecke, auch wenn es nicht bis ganz hoch zum Schilthorn geht, verspricht fürchterliches. Fegefeuer Nummer 2.
Ich habe leider nur kurz Zeit mich zu erholen, da Jörg eine fantastische MTB-Zeit hinlegt. Er geniesst das Inferno und von Fegefeuer ist bei ihm auch nicht viel zu sehen. Aber auch er will ins Paradies, darum übergibt er in Stechelberg den Zeitnahme-Chip wieder an mich und ich gehe auf die Laufstrecke.

Die ersten 5 km geht es leicht runter nach Lauterbrunnen. Und ich kann sogar laufen. Ich hatte irgendwie gedacht, dass meine Beine mehr Widerstand leisten würden, aber es ging tatsächlich gut. Langsam aber gut. Dann geht es in Lauterbrunnen links ab und da ist es wieder, das Fegefeuer. Ich versuche so lange wie möglich zu laufen, muss aber irgendwann gehen. Aber ich merke, dass die anderen das auch tun. Warum eigentlich nicht. Ich habe genügend Zeit vor dem Cut-Off in Mürren, könnte also ganz locker bleiben. Könnte. Wäre da nicht Beate hinter mir. Ich weiß nicht wie lange Johanna MTB fährt und wann Beate dann auf die Laufstrecke geht. Also schneller gehen und wenn es geht immer mal wieder laufen. Zwischendurch geht es scharf rechts den Wald hoch. Hatte ich schon erwähnt, das Traillaufen nicht meine neue Leidenschaft wird? Mann, mann, mann. Martin hatte mich auf dem Stück nach Lauterbrunnen überholt und war jetzt irgendwo vor mir. Und tatsächlich sah ich ihn auf einmal nur eine Serpentine vor mir. Kann ich auf ihn auflaufen (oder aufgehen)? Ja, ich konnte. An einem Verpflegungsstand bei km 10, 11 oder 12 (ich weiß es nicht mehr) trafen wir uns wieder. Martin sparte seine Käfte, da er als Einzelstarter noch bis ganz nach oben musste. Gemeinsam liefen und gingen wir dann bis nach Mürren. Kurz vor (meinem) Ziel schickte er mich los. „Lauf und geniess den Zieleinlauf“.

Und genau das machte ich. Im Ort ging es nochmal leicht bergauf, aber so kurz vor dem Ziel ist das völlig egal. Oben wartete Jörg auf mich und gemeinsam liefen wir ins Ziel.

Es war die Hölle, ich ging durch alle Terrassen des Fegefeuers und landete doch im Paradies.

Und wenn dies für mich gilt, so gilt es noch viel mehr für alle Einzelstarter. Ich ziehe meinen Hut vor Euch. Was ihr da geleistet habt, ist ausserirdisch. Ich war im kleinen Paradies und ihr im Großen. Aber ein Paradies war es für uns alle.


Die Commedia (italienisch für ‚Komödie‘), in späterer Zeit auch Divina Commedia (‚Göttliche Komödie‘) genannt, ist das Hauptwerk des italienischen Dichters Dante Alighieri (1265–1321). Sie entstand während der Jahre seines Exils und wurde wahrscheinlich um 1307 begonnen und erst kurze Zeit vor seinem Tod vollendet (1321). Sie gilt als bedeutendste Dichtung der italienischen Literatur und hat gleichzeitig die italienische Sprache als Schriftsprache erst begründet. Zudem wird sie als eines der größten Werke der Weltliteratur angesehen.>

4 Kommentare auf “Dante’s Inferno”

  1. Günter sagt:

    Danke Conny für die Glückwünsche und Danke Maria, Sooo Schön ist relativ 😉
    Und Danke Beate für den Vorschlag. Habe ich da „Berglauf“ gelesen? 🙁 Ins große Paradies kommen wir aber nur, wenn wir den HM beim Inferno laufen. Und das wollen wir doch nicht wirklich, oder???

  2. Beate sagt:

    Sehr schöner Bericht, Günter! Auch ich habe das kleine Paradies erreicht und würde doch sooo gern ins Große… Dafür muss man doch nicht durch das ganze infernale Fegefeuer… Wie wäre es mit einem langen Berg- (nicht Trail)lauf in 2015? 😉
    Gute Erholung!!

  3. Maria sagt:

    Wahnsinn! Aber schade, dass Traillaufen nicht Dein Hobby wird – das ist doch sooo schön! 😀
    Herzlichen Glückwunsch zu der tollen Leistung und gute Erholung!

  4. Conny sagt:

    wunderbarer Bericht und tolle Leistung – nochmal: Glückwunsch!

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